Theragāthā - Sechzehner-Bruchstück

Aññākondañño

673
UND hell und heller wird mir nun,
Ich kenn' der Wahrheit köstlich Wort,
Verkündet recht, verkündet rein,
Das alles Hangen heilen kann.
 
674
Gar viele Bilder dieser Welt,
Die bunt erscheinen rings umher,
Zermalmen, mein' ich, manchen Mut
Zu frohem Leben, froher Lust.
 
675
Wie Staub vom Wind gewirbelt weg,
Den Wolken gleich in Sturmeswut:
So stieben alle Wünsche hin
Dem Weisen, der die Dinge kennt.
 
676
«Vergänglich ist die ganze Welt»:
Wer deutlich diese Wahrheit merkt
Wird lebensatt, wird leidensatt,
Kennt wohl den Weg zum Heile hin.
 
677
«Die Welt ist eitel Ach und Weh»:
Wer deutlich diese Wahrheit merkt
Wird lebensatt, wird leidensatt,
Kennt wohl den Weg zum Heile hin.
 
678
«Kein Dasein ist von innen echt»:
Wer deutlich diese Wahrheit merkt
Wird lebensatt, wird leidensatt,
Kennt wohl den Weg zum Heile hin.
 
679
Der nach dem Herrn ist auferwacht,
Kondañño, ledig, abgelöst,
Geburtenheil und grabesheil,
Geheiligt ist er überall.
 
680
Der Wahn ist Seil, ist fester Pfahl,
Ist Berg, der nicht zerbersten will;
Doch kannst du fällen Pfahl und Seil,
Kannst brechen durch die Felsenwand:
Entronnen also bist entrückt,
Errettet aus dem Todesreich.
 
681
Ein aufgeblähter, schwanker Mönch,
In schlechter Freundschaft frohgemut,
Geht eilig unter in der Flut,
Kopfüber wird er weggerafft.

682
Der unverstörte, stete Mönch,
Der klar und klug ist, wohlgewahrt,
Ein echter Bruder, edler Freund,
Der soll versiegen alles Weh.
 
683
Die Glieder gleichen Knotenried,
Nur Sehnen sieht man, knorrig, rauh:
Wer Körpernahrung mäßig nimmt
Muß nicht am Geiste magern ab.
 
684
Verfolgt von Mücken-, Wespenbrut
In Waldesmitte, Waldespracht:
Gelassen, wie der Elefant
Im Schlachtgewühle, weile schlau.

685
Ich freue mich des Sterbens nicht,
Ich freue mich des Lebens nicht:
Gelassen wart' ich ab die Zeit,
Gleichwie der Söldner seinen Lohn.

686
Ich freue mich des Sterbens nicht,
Ich freue mich des Lebens nicht:
Gelassen wart' ich ab die Zeit,
Gewitzigt weise, wissensklar.
 
687
Gedient hab' ich dem Meisterherrn,
Gewirkt hab' ich des Wachen Werk:
Die schwere Last ist abgelegt,
Die Daseinsader ausgedarrt.

688
Warum ich aus dem Hause fort
Als Bettler hingezogen bin:
Ergründet hab' ich ihn, den Grund -
Wie sollt' ich machen mich gemein?
 
689
DER menschentsproßne höchste Herr,
Der Selbstbesieger, wach gewahr,
Der heilig seiner Wege geht,
Im Herzen heil, im Herzen hell:
 
690
Der da von Menschen wird verehrt
Als Überwinder aller Welt
Wird auch von Göttern froh begrüßt;
Der Meister hat es mir gesagt.
 
691
Der aller Bande ledig ist,
Von Wahn entwähnt erloschen lebt,
Von Lust geläutert, abgelöst,
Wie Felsengold von Felsenquarz:

692
Da steht er, der unendlich strahlt,
Der Elefant am Alpenpaß,
Vor allen, die man herrlich heißt,
Der hehrste Held, von echter Art.
 
693
Den Elefanten weis' ich euch,
Der wahrlich keinem Leides tut:
Gelassenheit, Geduldigkeit
Sind seine beiden Füße vorn,

694
Bewußter Tritt, bewußter Schritt
Die beiden Füße hinterwärts;
Als Rüssel dient ihm Zuversicht,
Als Hauerpaar der gleiche Mut,
 
695
Als Nacken Tugend, Witz als Haupt,
Als Klugheit klarer Denkergeist,
Als Rumpf das Reich der Redlichkeit,
Als Zagel zarte Wissenschaft.

696
So wirkt er Schauung, wohlbedacht,
Zieht sanften Atem in sich ein;
Bedächtig geht er seinen Gang,
Bedächtig stellt er still sich hin,
 
697
Bedächtig ruht er lagernd aus,
Bedächtig sitzt er, selbstvertieft,
Ist nie bestürzt, ist nie verstört:
Das nennt man Elefantenart.

698
Erlaubte Labe nimmt er nur,
Nichts Unerlaubtes nimmt er an:
Den Mantel braucht er, braucht ein Mahl,
Doch flieht er allen Überfluß.
 
699
Und Fesseln grob, und Fesseln fein,
Zerrissen hat er jedes Band:
Wohin er geht, wohin er kommt,
Entgangen geht er, ungehemmt. 

*700
Gleichwie der Lotus, licht und weiß,
Im Wasser lebt, im Wasser wächst
Und unbenetzt sein Haupt erhebt,
In reinem Hauche herrlich ragt:

701
So ist erwachsen unter uns
Der wache Herr, der hier verweilt,
Und wird benetzt nicht von der Welt,
Wie Wasser nicht den Lotus netzt. 

* 702
Die Feuersbrunst, die flackernd flammt,
Zehrt auf den Brennstoff nach und nach,
Und glüht auch noch der rote Glast,
Verglommen, sagt man, sei die Brunst:
 
703
Den Geist begreife, klär' dir auf
Das Gleichnis, das der Kenner gibt:
Ein großer Mann, er merkt es wohl,
Das Große, das ein Großer weist.
 
704
Von Gier genesen, heil von Haß,
Der Irre ledig, schlackenlos,
Verläßt der Große gern den Leib,
Ist wahnverglommen, wahnverglüht.


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