SUTTA-NIPĀTA, Lehr-Dichtungen

8. Zu dieser Übersetzung

 

Die vorliegende Übersetzung strebt danach, genau und zuverlässig zu sein und dem Leser vor allem den tiefen Gedankengehalt des Werkes in möglichster Treue zu der vorliegenden Ausdrucksform zu übermitteln. Bei einer Wahl zwischen einer mehr poetischen und einer genauen Wiedergabe wurde daher stets der Genauigkeit der Vorzug gegeben. In stilistischer Hinsicht wurde lediglich eine gute Lesbarkeit erstrebt. Es gehört zur Eigenart des Sn, daß es eine große Anzahl knapper Prägungen von verdichteter Kraft enthält. In der Stilisierung wurde darauf Wert gelegt, daß solche Stellen, aus dem Zusammenhang gelöst, als einprägsame Denk- und Betrachtungs-Themen oder Maximen verwandt werden können. Es lag jedoch weder in der Absicht, noch in der Fähigkeit des Übersetzers, der poetischen Schönheit des Originals nahe zu kommen. Dies muß hierzu Berufeneren überlassen bleiben. Denn jede große Dichtung, welche nicht nur rein ästhetische, sondern auch gedankliche Werte besitzt, erfordert zweierlei Übersetzungen: eine wörtliche und eine poetische. Wenn, wie im Fall unseres Sutta-Nipāta, das Schwergewicht so stark auf dem Gedanklichen liegt, ist eine wörtliche Übersetzung natürlich von besonderer Wichtigkeit. Doch auch von einer poetischen muß in einem solchen Falle eine größere Treue zum Original erwartet werden, als sie K. E. Neumann bezeigt.

 

Die einzige vollständige deutsche Übersetzung des Sn durch Karl Eugen Neumann ("Sammlung der Bruchstücke") wird insbesondere den beiden so wichtigen letzten Büchern des Sn nicht im entferntesten gerecht. Schon allein deswegen dürfte diese neue Übersetzung gerechtfertigt, ja notwendig sein. Einige Worte über K.E. Neumanns Übertragung sind hier am Platze. Es muß leider festgestellt werden, daß große Teile daraus nicht mehr als Übersetzung, sondern nur als "Variationen über Themen aus dem Sutta-Nipāta" angesehen werden können. Einige dieser Paraphrasen besitzen zweifellos dichterische Schönheit und gedankliche Tiefe, andere aber wiederum sind völlig verfehlt, sprachlich manieriert, ja z.T. unverständlich. Besonders in diesem Werke hat dieser zweifellos kenntnisreiche Gelehrte den Sinn von Worten und Sätzen willkürlich (und offenbar oft gegen besseres Wissen) entstellt oder verändert, sei es um eines Einfalles willen oder aus ästhetischen Gründen, z.B. um Alliterationen anzubringen. K.E. Neumann hat es auch nie für nötig befunden, in seinen gewiß nicht sparsamen Anmerkungen darüber Rechenschaft abzulegen oder die wörtliche Übersetzung zu vermerken. In seiner Willkür geht er allzu häufig weit über das erlaubte Maß dichterischer (oder nach dichtender) Freiheit hinaus, was besonders bei den Teilen des Sn ins Gewicht fällt, die einen mehr gedanklichen Charakter haben. Daneben hat aber K.E. Neumann zweifellos für manche Gedichte eine sehr schöne einprägsame Form gefunden, die es verdient, bewahrt zu werden, wenn daneben auch die wörtliche Wiedergabe der betreffenden Texte bekannt ist.

 

Mit diesen kritischen Bemerkungen wollen wir gewiß nicht die Bedeutung von K.E. Neumanns Gesamtwerk schmälern, das in seiner Eigenart mit all seinen "Tugenden und Lastern" hingenommen werden muß K.E. Neumann gehört eben zu jenen Persönlichkeiten, die mit starken Vorzügen und Begabungen ebenso große Schwächen verbinden. Es muß aufrichtig bedauert werden, daß es im wesentlichen K.E. Neumanns Eigenwilligkeit war, die einer größeren Verläßlichkeit seines bedeutsamen und sprachlich meisterhaften Übersetzungswerkes im Wege stand.

 

Wir haben in den Anmerkungen nur bei ganz wenigen Gelegenheiten auf Irrtümer und Entgleisungen K.E. Neumanns hingewiesen, da wir dieses Werk nicht durch Polemik belasten wollten. Der Pāli-Kenner wird bei Heranziehung des Textes die Abweichungen beider Übersetzungen beurteilen können, und für den Nichtkenner der Originalsprache sind ja Übersetzungen weitgehend Vertrauenssache, was dazu angetan sein sollte, das Verantwortungsgefühl der Übersetzer zu schärfen.

 

Als eine weitere Rechtfertigung dieser Neu-Ausgabe des Sn darf der umfangreiche erläuternde Teil gelten, der neben eigenen Anmerkungen des Übersetzers vor allem die alten traditionellen Kommentarwerke benutzt und zitiert. Auch unter anderssprachigen Übersetzungen ist dies die erste voll kommentierte Ausgabe des Sn. Dieser Kommentar-Teil ist nicht als ein für den Laien meist unverständlicher gelehrter Anmerkungs-Apparat gedacht, sondern als eine wirkliche Lese- und Studienhilfe. Er wird daher allen denen willkommen sein, die sich mit dem Sn so eingehend und liebevoll beschäftigen, wie es dieses Werk verdient. Die hier erstmalig übersetzten größeren Auszüge aus den alten Kommentarwerken sind jedoch auch um ihrer selbst willen beachtenswert.

 

Philologische Anmerkungen wurden auf ein Mindestmaß von solchen beschränkt, die dem Sinnverständnis förderlich sind. Es wurde versucht, sie so zu halten, daß sie auch für einen Nichtkenner des Pāli soweit verständlich sind, wie es für ihn von Interesse sein kann. Der Übersetzer hielt es ferner für seine Pflicht, in diesen Anmerkungen auf schwierige Stellen und unsichere Wiedergaben hinzuweisen und sie kurz zu diskutieren.

 

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Im Bestreben, das vorliegende Werk nach Möglichkeit zu vervollkommnen, wird der Übersetzer für jede ihm zugebende Kritik und für Verbesserungsvorschläge aufrichtig dankbar sein.

 

Island Hermitage

NYANAPONIKA (verstorben 1994)

Dodanduwa Ceylon

  

NAMO TASSA BHAGAVATO ARAHATO SAMMA-SAMBHUDHASSA

Verehrung Ihm, dem Erhabenen, Heiligen, Vollkommen-Erwachten


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