Jātakam, Wiedergeburtsgeschichten

381. Die Erzählung von Migalopa (Migalopa-Jataka)

„Ich lieb es nicht“

 

§A. Dies erzählte der Meister, da er im Jetavana verweilte, mit Beziehung auf einen ungehorsamen Mönch. Als nämlich der Meister diesen Mönch fragte, ob es wahr sei, dass er ungehorsam sei, und zur Antwort erhielt: „Es ist wahr, Herr“, sprach er: „Nicht nur jetzt, Mönch, sondern auch früher schon warst du ungehorsam. Infolge deines Ungehorsams aber, weil du nicht nach dem Wort der Weisen tatest, musstest du in einem Veramba-Sturmwind [1] sterben.“ Nach diesen Worten erzählte er folgende Begebenheit aus der Vergangenheit.

 

§B. Als ehedem zu Benares Brahmadatta regierte, nahm der Bodhisattva im Geiergeschlechte seine Wiedergeburt und hieß „der Geier Aparanna“ [Aparannagijjha]. Von einer Schar von Geiern umgeben wohnte er auf dem Geiersberge [Gijjhapabbata]. Sein Sohn aber, Migalopa [Wildjäger] mit Namen, war mit Stärke und Kraft begabt. Dieser ging über die Grenze der andern Geier hinaus und flog höher.

Die Geier aber berichteten dem Geierkönig: „Euer Sohn fliegt zu weit in die Höhe.“ Dieser rief ihn zu sich und sagte: „Mein Sohn, du fliegst zu hoch; wenn du zu hoch fliegst, wirst du den Tod finden.“ Und er sprach folgende drei Strophen:

§1. „Ich lieb es nicht, Migalopa,
dass du so weit hinaus dich wagst.
Zu hoch hinauf fliegst du, mein Sohn,
du strebst nach dem, was erdenfern.
 
§2. Wenn dir die Erde nur erscheint
noch als ein viereckiges Feld,
dann wende deinen Flug, mein Sohn,
und geh nicht weiter in die Höhe.
 
§3. Schon andre Vögel gab es früher,
die auch zu hoch den Flug gelenkt;
vom Winde wurden sie zerschmettert
und mussten sterben vor der Zeit.“

Migalopa aber blieb dieser Ermahnung unzugänglich. Ohne sich um die Worte seines Vaters zu kümmern, flog er immer weiter empor. Als er die von seinem Vater bezeichnete Grenze sah, überflog er diese und kam in das Gebiet der Kala-Winde. Auch diese durchdrang er und flog weiter. Da geriet er in das Bereich der Veramba-Winde und wurde von ihnen getroffen. Sobald sie ihn aber trafen, wurde er in kleine Stücke zerrissen und verschwand in der Luft.

Folgende drei Strophen sprach der völlig Erleuchtete:

§4. Da er nicht tat nach seines Vaters,
des alten Aparanna Worten,
flog er über die Kala-Winde
und kam in den Veramba-Sturm.
 
§5. Dadurch geriet ihm Weib und Kind
und alle seine Anverwandten
in großes Unglück, weil der Vogel
sich nicht an die Ermahnung hielt.

 

§A2.

§6. „So geht es jetzt noch. Wer durch Worte
der Alten sich nicht lässt belehren,
wie in der Fabel tat der Geier,
der stolze, der zu hoch geflogen,
die alle stürzen ins Verderben,
wenn sie der Alten Wort nicht hören.“

 

§C. Nachdem der Meister diese Unterweisung beschlossen hatte, verband er das Jataka mit folgenden Worten „Damals war Migalopa der ungehorsame Mönch, Aparanna aber war ich.“

Ende der Erzählung von Migalopa


[1] Benannt nach einem See dieses Namens.


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