Jātakam, Wiedergeburtsgeschichten

378. Die Erzählung von Darimukha (Darimukha-Jataka)

„Schmutz sind die Lüste“

 

§A. Dies erzählte der Meister, da er im Jetavana verweilte, mit Beziehung auf die große Weltentsagung.

§D. Die Begebenheit aus der Gegenwart ist schon oben erzählt [0a].

 

§B. Ehedem aber herrschte in der Stadt Rajagaha der König von Magadha. Damals nahm der Bodhisattva im Schoße von dessen erster Gemahlin seine Wiedergeburt und man gab ihm den Namen „Prinz Brahmadatta“ [Brahmadattakumara]. Am Tage seiner Geburt wurde auch dem Hauspriester ein Sohn geboren, dessen Antlitz war sehr schön; darum gab man ihm den Namen Darimukha (= „Höhlenmund“).

Die beiden wuchsen im Hause des Königs auf und waren einander lieb und vertraut. Als sie sechzehn Jahre alt waren, begaben sie sich nach Takkasila und erlernten dort alle Künste. Dann dachten sie: „Wir wollen auch die Anwendung aller Künste und die Gebräuche des Landes kennen lernen“; und indem sie durch Dörfer und Flecken wanderten, gelangten sie nach Benares. Hier übernachteten sie in einem Tempel und betraten am nächsten Tage Benares, um Almosen zu sammeln.

Dort hatten in einem Hause die Leute gedacht: „Wir wollen Brahmanen Nahrung spenden und ihnen Backwerk geben“; sie hatten Reisbrei gekocht und Sitze hergerichtet. Als nun diese Leute die beiden auf ihrem Almosengang sahen, riefen sie: „Brahmanen sind gekommen“, und führten sie in das Haus. Auf den Sitz des Bodhisattva breiteten sie ein reines Gewand und auf den des Darimukha ein rotes Tuch. Als Darimukha dies Zeichen sah, erkannte er: „Heute wird mein Freund König von Benares werden und ich der Heerführer.“

Nachdem sie dort gespeist und ihr Backwerk empfangen hatten, dankten sie in schönen Worten, gingen aus der Stadt hinaus und begaben sich nach dem königlichen Parke. Der Bodhisattva ließ sich auf dem königlichen Steinsitz nieder, Darimukha aber setzte sich dazu, indem er dessen Füße rieb. —

Damals war es der siebente Tag, dass der König in Benares gestorben war. Nachdem der Hauspriester den Leichnam des Königs verbrannt hatte, sandte er, da der König ohne Hinterlassung eines Sohnes gestorben war, sieben Tage lang den Phussa-Wagen [1] aus. —

§D. Die Sache mit dem Phussa-Wagen wird im Mahajanaka-Jataka [Jataka 539] erzählt werden. —

Als aber der Phussa-Wagen aus der Stadt herausgekommen war, gelangte er umgeben von einem aus den vier Abteilungen bestehenden Heere und unter dem Schalle von vielen hundert Instrumenten an das Parktor.

Als Darimukha den Schall der Instrumente vernahm, dachte er: „Zu meinem Freunde kommt der Phussa-Wagen. Heute noch wird er König werden und mir das Heerführeramt übertragen. Was brauche ich aber das Leben im Hause? Ich will weggehen und die Welt verlassen!“ Ohne dem Bodhisattva etwas zu sagen, ging er beiseite und stellte sich an eine verborgene Stelle.

Als nun der Hauspriester am Parktore den Wagen hatte stehen lassen und in den Park hineinging, sah er den Bodhisattva auf dem königlichen Steinsitze liegen. Er gewahrte an seinen Füßen die Zeichen der Herrschaft [3] und dachte: „Ein tugendhafter Heiliger ist im Stande, selbst über die von zweitausend Inseln umgebenen vier Erdteile die Herrschaft auszuüben; wie ist aber seine Tapferkeit?“ Und er ließ alle Instrumente spielen. Der Bodhisattva erwachte, entfernte sein Gewand von seinem Antlitz und schaute die Volksmenge an; dann verhüllte er wieder sein Antlitz mit seinem Gewande und legte sich noch ein wenig hin. Als der Wagen anhielt, stand er auf und setzte sich mit gekreuzten Beinen auf die Steinplatte.

Der Hauspriester kniete vor ihm nieder und sprach: „O Fürst, an Euch kommt das Reich.“ Der Bodhisattva fragte: „Ist das Reich ohne männlichen Erben, sag ich?“ „Ja, o Fürst“, war die Antwort. „Dann ist es gut“; mit diesen Worten erklärte er seine Einwilligung. Noch im Parke erteilte man ihm die Weihe. Infolge der großen Ehrung aber gedachte er dabei nicht an Darimukha. Er bestieg den Wagen, zog von einer großen Volksmenge umgeben in die Stadt ein, umfuhr sie von rechts und machte am Tore des königlichen Palastes Halt. Er verteilte dann an die Minister ihre Posten und stieg in den Palast hinauf.

In diesem Augenblicke dachte Darimukha: „Jetzt ist der Park leer“; er kehrte zurück und setzte sich auf den königlichen Steinsitz. Da fiel ein gelbes Blatt vor ihm nieder. Bei diesem gelben Blatt allein begriff er die Vergänglichkeit; er erfasste die drei Hauptideen [4] und erlangte, indem er dabei die Erde zum Erdröhnen brachte, die Teilerleuchtung [5]. In demselben Augenblick verschwand sein Laien-Aussehen; vom Himmel herab fiel durch Wunderkraft erzeugt eine Almosenschale und ein Gewand hernieder und dies schmiegte sich an seinen Körper. Sogleich wurde er wie ein seine notwendigen Hilfsmittel tragender, mit heiligem Wandel ausgestatteter Thera von hundert Jahren. Durch seine Wunderkraft flog er in die Luft empor und ging im Himalaya-Gebirge in die Berghöhle Nandamula [Wurzel der Freude] hinein.

Der Bodhisattva führte in Gerechtigkeit die Herrschaft. Durch die Größe seiner Ehrung jedoch wurde er nachlässig und dachte vierzig Jahre lang nicht an Darimukha. Im vierzigsten Jahre aber erinnerte er sich an ihn und dachte: „Ich habe einen Freund, namens Darimukha, wo ist er jetzt?“ Und er bekam Verlangen, ihn zu sehen. Von da an sagte er in seinem Palaste und in der Versammlung: „Wo ist wohl mein Freund Darimukha? Wer mir sagen kann, wo er weilt, dem werde ich große Ehre zuteil werden lassen.“ Während er aber so immer wieder seiner gedachte, vergingen nochmals zehn Jahre.

Nach Ablauf von fünfzig Jahren aber dachte der Paccekabuddha Darimukha nach und merkte: „Mein Freund denkt an mich. Er ist jetzt alt und reich an Söhnen und Töchtern; ich will hingehen, ihm die Wahrheit erklären und ihn veranlassen, dass er die Welt verlässt.“ Durch seine Wunderkraft flog er durch die Luft, stieg im Parke herab und setzte sich auf die Steinplatte, einer goldenen Schüssel gleichend.

Als ihn der Parkwächter sah, ging er zu ihm hin und fragte: „Herr, woher kommt Ihr?“ „Von der Berghöhle Nandamula.“ „Wie ist Euer Name?“ „Ich heiße der Pacceka Darimukha, mein Lieber.“ „Herr, kennt Ihr unsern König?“ „Ja, in meiner Laienzeit war er mein Freund.“ „Herr, unser König wünscht, Euch zu sehen; ich will ihm sagen, dass Ihr gekommen seid.“ „Gehe hin und sage es.“

Jener ging hin und meldete dem König, dass der Asket gekommen sei und auf der Steinplatte sitze. Da dachte der König: „Mein Freund ist ja gekommen; ich will ihn sehen.“ Er bestieg seinen Wagen und begab sich mit großem Gefolge nach dem Parke. Hier begrüßte er den Paccekabuddha, begann eine liebenswürdige Unterhaltung mit ihm und setzte sich ihm zur Seite.

Darauf sagte zu ihm der Paccekabuddha: „O Brahmadatta, regierst du in Gerechtigkeit, gehst du nicht verbotene Wege, bedrückst du das Volk nicht um des Geldes willen, gibst du Almosen und übst du noch andere gute Werke aus?“ Nachdem er sich mit solchen und ähnlichen Worten mit ihm unterhalten, sagte er: „Brahmadatta, du bist alt; es ist Zeit für dich, diese Lüste aufzugeben und die Welt zu verlassen.“ Und indem er ihm die Wahrheit verkündigte, sprach er folgende erste Strophe:

§1. „Schmutz sind die Lüste und ein Haufen Dreck;
sie bringen Furcht, die an drei Wurzeln hängt [7].
Den Schmutz und Unrat hab ich wohl erkannt;
lass ab von ihnen und verlass die Welt!“

Als dies der König hörte, sprach er, um zu erzählen, dass er noch an die Befleckung gefesselt sei, folgende zweite Strophe:

§2. „Gefesselt bin ich und besessen und erfreut,
Brahmane, durch die Lüste. Furchtbar groß sind sie;
nicht kann ich, will ich leben, sie verlassen.
Doch tue ich gar manche gute Werke [8].“

Obwohl nun der Bodhisattva sagte: „Ich kann die Welt nicht verlassen“, gab jener doch seine Bemühung nicht auf, sondern ermahnte ihn weiter mit folgenden Worten:

§3. „Wer trotz Ermahnung nicht nach dessen Worten tut,
der auf sein Heil bedacht voll Mitleid gegen ihn,
und wer für besser hält, so wie bis jetzt zu leben,
der Tor muss stets von Neuem gehn durch der Mutter Schoß [9].
                                                                                 Dhp 325
 
§4. In die furchtbare Hölle er gelangt,
die ohne Schönheit, voll Urin und Kot;
nicht hören sie in Fesseln auf zu leben,
die nicht die Lust verloren an Befleckung.“

Nachdem so Darimukha, der Pacceka-Buddha, das von der Empfängnis und der Muttersorge [10] herkommende Elend gezeigt hatte, sprach er noch folgende anderthalb Strophen, um das von der Geburt herkommende Unglück klarzulegen:

§5. „Mit Schmutz besudelt und mit Blut befleckt,
beschmiert mit Schleim, so kommen sie zur Welt;
was immer mit dem Körper sie berühren,
ist alles bitter nur und Leid hienieden.
 
§6a. Ich weiß dies aus Erfahrung, nicht von andern,
oft noch gedenk ich an mein früh'res Leben.“

Nachdem jetzt der Meister, da er völlig erleuchtet geworden war, hinzugefügt hatte:

So gewann dieser Paccekabuddha den König durch seine trefflichen Worte,

sprach er zum Schlusse folgende Halbstrophe:

§6b. Mit mannigfachen gut gesagten Strophen
bekehrte Darimukha jenen Weisen. —

Als der Paccekabuddha den Schaden der Begierden gezeigt und den König seine Worte hatte annehmen lassen, sprach er: „O Großkönig, verlasse jetzt die Welt oder nicht; ich aber habe dir den Schaden der Begierde und den Nutzen der Weltentsagung auseinandergesetzt. Sei tätig ohne Unterlass!“ Damit flog er, einem Goldschwankönig gleichend, in die Luft empor, durchdrang die Wolken und kehrte nach seiner Berghöhle Nandamula zurück. Der Bodhisattva faltete in glänzender Weise über seinem Haupte die Hände, indem er die zehn Nägel zusammenfügte, und blieb gebeugt stehen, bis jener aus dem Gesichtskreis entschwunden war.

Dann ließ er seinen ältesten Sohn herbeirufen und übergab ihm die Herrschaft. Er selbst gab, während eine große Menge Volks weinte und klagte, die Lüste auf und zog nach dem Himalaya. Hier erbaute er sich eine Laubhütte und betätigte die Weltflucht der Weisen. Nicht lange danach erlangte er die Erkenntnisse und die Vollkommenheiten und wurde am Ende seines Lebens ein Bewohner der Brahma-Welt.

 

§C. Nachdem der Meister diese Lehrunterweisung beschlossen und die Wahrheiten verkündigt hatte, verband er das Jataka mit folgenden Worten (am Ende der Verkündigung der Wahrheiten aber wurden viele bekehrt usw.): „Damals war ich der König.“

Ende der Erzählung von Darimukha


[0a] Eine bestimmtes Jataka ist nicht genannt. Vgl. aber das unten erwähnte Jataka 539.

[1] D. h. Festwagen. Phussa ist ein bestimmtes Naksatra [1a], das festlich begangen wurde.

[1a] Auf Pali: „nakkhatta“. Es handelt sich um eine astronomische Konstellation.

[3] Der zur Herrschaft Berufene trägt bestimmte Abzeichen an sich, ähnlich wie ein Buddha.

[4] D. h. die Idee von der Vergänglichkeit, der Schlechtigkeit und der Unwirklichkeit der Existenz.

[5] Damit ist gemeint die Erleuchtung, wie sie einem Pacceka-Buddha zuteil wird im Gegensatz zum vollendeten Buddha.

[7] Der Ausdruck bedeutet nach dem Kommentator nur die Stärke der Furcht oder Gefahr.

[8] Der Kommentator fügt dieser Strophe eine lange Erklärung nebst einigen Versen bei, die aber von keiner wesentlichen Bedeutung sind.

[9] D. h. er ist immer von neuem der Wiedergeburt unterworfen. Der Vers bildet die Strophe 325 des Dhammapadam.

[10] Der manchmal vorkommende Ausdruck „gabbhapariharo“ bedeutet eine Zeremonie, die während der Zeit der Schwangerschaft vorgenommen wurde, um das Kind vor bösen Einflüssen zu schützen.


  Oben zeilen.gif (1054 bytes)