Jātakam, Wiedergeburtsgeschichten

234. Die Erzählung von Asitabhu (Asitabhu-Jataka)

„Durch dich ist dieses jetzt geschehen“

 

§A. Dies erzählte der Meister, da er im Jetavana verweilte, mit Beziehung auf eine junge Edle. Zu Savatthi nämlich war in einer Familie, die den beiden ersten Schülern aufwartete, ein sehr schönes und reizendes Mädchen. Als sie herangewachsen war, verheiratete sie sich in eine Familie von gleicher Kaste. Ihr Gatte aber achtete sie für nichts und hatte sein Herz beständig anderswo. — Sie kümmerte sich nicht um seine Lieblosigkeit gegen sie; vielmehr lud sie die beiden ersten Schüler ein und spendete ihnen ein großes Almosen. Als sie dann von ihnen die Lehre hörte, gelangte sie zur Frucht der Bekehrung.

Als sie nun von da an im Glück des Weges [1] und im Glücke der Frucht [2] dahinlebte, dachte sie bei sich: „Mein Gatte begehrt mich nicht; ich habe kein Verlangen mehr, im Hause zu wohnen. Ich will die Welt verlassen.“ Sie verabschiedete sich von ihren Eltern, wurde Nonne und gelangte zur Heiligkeit.

Diese ihre Handlungsweise wurde unter den Mönchen bekannt. Eines Tages begannen die Mönche in der Lehrhalle folgendes Gespräch: „Freund, die Tochter von der und der Familie ist auf ihr Heil bedacht. Als sie merkte, dass ihr Gatte sie nicht liebe, hörte sie bei den ersten Schülern die Lehre und gelangte dadurch zur Frucht der Bekehrung. Darauf verabschiedete sie sich von ihren Eltern, wurde Nonne und gelangte zur Heiligkeit. So auf ihr Heil bedacht war diese junge Edle, Freund.“ Da kam der Meister und fragte: „Zu welcher Unterhaltung, ihr Mönche, habt ihr euch jetzt hier niedergelassen?“ Als sie antworteten: „Zu der und der“, sprach er: „Nicht nur jetzt, ihr Mönche, suchte diese Tochter aus edler Familie ihr Heil, sondern auch früher schon war sie auf ihr Heil bedacht.“ Und nach diesen Worten erzählte er folgende Begebenheit aus der Vergangenheit.

 

§B. Als ehedem zu Benares Brahmadatta regierte, betätigte der Bodhisattva die Weltflucht der Weisen. Er erlangte die Erkenntnisse und die Vollkommenheiten und nahm im Himalaya-Gebirge seinen Aufenthalt.

Damals nun bemerkte der König von Benares die Menge der Anhänger seines eigenen Sohnes, des Prinzen Brahmadatta; er bekam Angst vor ihm und trieb seinen Sohn aus seinem Reiche in die Verbannung. Dieser nahm seine Gemahlin, Asitabhu mit Namen, mit sich und zog nach dem Himalaya, wo er sich von Fischen, Fleisch und Waldfrüchten nährte und in einer Laubhütte seine Wohnung aufschlug.

Einmal sah er eine Nymphe. Verliebten Herzens dachte er: „Diese werde ich zu meiner Gemahlin machen“; und ohne auf Asitabhu Rücksicht zu nehmen, folgte er ihrer Spur. Als nun seine Gattin sah, wie er der Nymphe nachfolgte, dachte sie: „Dieser folgt der Nymphe nach, ohne auf mich Rücksicht zu nehmen.“ Sie verlor die Lust an ihm und ging zum Bodhisattva hin, den sie ehrfurchtsvoll begrüßte. Sie ließ sich von ihm die Mittel zur Herbeiführung der Ekstase mitteilen. Als sie diese Mittel anwandte [3], erlangte sie die Erkenntnisse und die Vollkommenheiten. Darauf grüßte sie den Bodhisattva, kehrte zurück und blieb an der Tür ihrer Laubhütte stehen.

Brahmadatta war inzwischen herumgewandelt, indem er der Nymphe folgte. Als er den Weg nicht fand, den sie gegangen, hörte sein Verlangen auf und er ging wieder nach seiner Laubhütte hin. Da Asitabhu ihn kommen sah, erhob sie sich in die Lüfte [4] und sagte, an der edelsteinfarbenen Himmelsfläche stehend: „Du Sohn eines Edlen, durch dich habe ich dies Glück der Ekstase erlangt.“ Und sie sprach folgende erste Strophe:

§1. „Durch dich ist dieses jetzt geschehen,

dass ich die Lieb' zu dir verlor;

sie ist nicht wiederherzustellen

gleich sägzerschnittnem Elfenbein.“

Nachdem sie so gesprochen, flog sie unter seinen Augen in die Höhe und begab sich anderswohin.

Als sie aber weg war, sprach ihr Gatte klagend folgende zweite Strophe:

§2. „Wenn stets man etwas andres wünscht,

wenn zu sehr man der Gier verfällt,

dann wird man so vom Glück verlassen

wie ich jetzt von Asitabhu.“

Nachdem jener durch diese Strophe seiner Klage Ausdruck gegeben, verweilte er einsam im Walde; nach dem Tode seines Vaters aber ging er hin und nahm sein Reich in Besitz.

 

§C. Nachdem der Meister diese Unterweisung beschlossen, verband er das Jataka mit folgenden Worten: „Damals waren der Königssohn und die Königstochter diese beiden Leute; der Asket aber war ich.“

Ende der Erzählung von Asitabhu


[1] Nämlich des Weges zur Heiligkeit, dessen ersten Teil sie betreten hatte.

[2] Gemeint ist die Frucht des Zustandes der Bekehrung.

[3] Wörtlich: „als sie das Mittel betrachtete“. Das erste Mittel besteht ja im Anstarren eines bestimmten Gegenstandes.

[4] Die Fähigkeit, in der Luft zu wandeln, ist eine Folge der Ekstase.


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