Jātakam, Wiedergeburtsgeschichten

145. Die Erzählung von Radha (Radha-Jataka)

„Du weißt nicht, Radha, wie viel wohl“

 

§A. Dies erzählte der Meister, da er im Jetavana verweilte, mit Beziehung auf die Verlockung durch die frühere Frau.

§D. Die Begebenheit aus der Gegenwart wird im Indriya-Jataka [1] erzählt werden. —

Der Meister aber sprach zu dem Mönche: „O Mönch, das weibliche Geschlecht ist unbehütbar; auch wenn man eine Wache dazustellt, kann man es nicht bewachen. Auch in früherer Zeit konntest du es nicht bewachen, obwohl du eine Wache dazu stelltest; wie willst du es jetzt bewachen?“ Nach diesen Worten erzählte er folgende Begebenheit aus der Vergangenheit.

 

§B. Als ehedem zu Benares Brahmadatta regierte, nahm der Bodhisattva als ein Papagei seine Wiedergeburt. Im Reiche Kasi hielt ein Brahmane den Bodhisattva und dessen jüngsten Bruder an Kindes statt und zog sie auf. Von ihnen hatte der Bodhisattva den Namen Potthapada [2]; der andre hieß Radha. — Die Gattin dieses Brahmanen aber führte einen schlechten Wandel und war lasterhaft. Als er nun eines Geschäftes wegen einmal wegging, sagte er zu den beiden Brüdern: „Ihr Lieben, wenn eure Mutter, die Brahmanin, schlechten Wandel führt, so haltet sie zurück.“ Der Bodhisattva entgegnete: „Gut, Vater; wenn wir sie zurückhalten können, so wollen wir sie zurückhalten; wenn wir es nicht können, werden wir schweigen.“ Nachdem so der Brahmane seine Gattin den Papageien anbefohlen hatte, reiste er seines Geschäftes wegen fort.

Von dem Tage seiner Abreise aber begann die Brahmanin zu sündigen und der Kommenden und Gehenden war kein Ende. Als Radha ihr Tun bemerkte, sprach er zum Bodhisattva: „Brüderchen, unser Vater ging fort mit den Worten: ‘Wenn eure Mutter schlechten Wandel führt, so haltet sie zurück.’ Jetzt aber führt sie einen schlechten Wandel; wollen wir sie also davon zurückhalten!“ Der Bodhisattva aber erwiderte: „Lieber, du sprichst so infolge deiner Unklugheit und deiner Torheit. Ein Weib nämlich kann man nicht bewachen, auch wenn man es aufhebt und bei sich trägt. Was man aber nicht tun kann, das soll man nicht tun.“ Und nach diesen Worten sprach er folgende Strophe:

§1. „Du weißt nicht, Radha, wie viel wohl

bis Mitternacht noch nicht gekommen [3].

Du redest Unvernünftiges;

nicht liebt dies Weib mehr ihren Mann.“

Nachdem er Radha diese Ermahnung gegeben, ließ er ihn nicht mehr mit der Brahmanin reden; diese aber tat, bis der Brahmane zurückkehrte, wie ihr beliebte.

Als der Brahmane zurückkehrte, fragte er Potthapada: „Mein Sohn, wie war deine Mutter?“ Darauf erzählte der Bodhisattva dem Brahmanen alles, wie es sich zugetragen hatte; und nachdem er hinzugefügt: „Was tust du, Vater, mit einer lasterhaften Frau?“, schloss er mit den Worten: „Vater, nachdem wir die Schuld der Mutter berichtet, können wir nicht mehr hier bleiben.“ Darauf verehrte er die Füße des Brahmanen, flog mit Radha zusammen in die Höhe und begab sich in den Wald.

 

§A2. Nachdem der Meister diese Lehrunterweisung beendigt hatte, verkündigte er die Wahrheiten; am Ende der Verkündigung der Wahrheiten aber gelangte der unzufriedene Mönch zur Frucht der Bekehrung.

§C. „Damals aber waren der Brahmane und die Brahmanin dieselben zwei Leute wie jetzt, Radha war Ananda, Potthapada aber war ich.“

Ende der Erzählung von Radha


[1] Dies ist das 423. Jataka.

[2] Dies ist auch der Name eines Monats.

[3] D. h. auch zur Mitternachtszeit hört das Ein- und Ausgehen der Liebhaber noch nicht auf.


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