Dhammapada (v.090-156)

Arahata - Heilige

 
90
Wer angelangt am Ziel, sorglos und ganz befreit,
Wer alle Fesseln brach, für den gibt es kein Leid.
 
91
Verschmähend Häuslichkeit, zieh'n Achtsame hinaus;
Wie Schwäne aus dem Sumpf, so flieh'n sie Heim und Haus.
 
92
Wer keine Schätze häuft, andächtig ist beim Essen,
Nach Freiheit strebt, die leer und ungetrübt ist, dessen
Weg ist, wie Vogelflug im Luftraum, nicht zu messen.
 
93
Wer frei von Leidenschaft und nicht erpicht auf's Essen,
Nach Freiheit strebt, die leer und ungetrübt ist, dessen
Weg ist, wie Vogelflug im Luftraum, nicht zu messen (*f6).
 
(*94) 94
Wer seine Sinne, Rossen gleich, im Zaume hält,
Befreit von Stolz und Wunsch, der lacht der Götterwelt,
 
95
Wer wie die Schwelle fromm, der Erde gleich ergeben
Und wie ein Bergsee klar, der wird nicht nochmals leben.
 
96
Gedanken sind gestillt, auch Worte und das Handeln
Bei denen, die, befreit in Weisheit, friedsam wandeln.
 
97
Der ist der höchste Mensch, der nicht am Glauben hängt,
Das Unerschaff'ne kennt und alle Fesseln sprengt,
Den nichts, weil frei von Sucht, zum Wiederdasein drängt.
 
98
Sei es im Dorf, im Wald, im Tal, auf Bergeshöh'n:
Wo heil'ge Männer sind, ein solcher Ort ist schön.
 
99
Schön ist Waldeinsamkeit, wo Menschen nicht verkehren;
Daran erfreuen sich, die Weltlust nicht begehren.
 (v. 98 und 99 von Sāriputta = Theragāthā 991-992)


(*f6) Vergl. ähnliche Verse im Udāna VIII, 10, wo der Buddha von einem Mönche, der eben erloschen ist, sagt: Gleichwie der rotglühend geschlagene Schmiedehammer allmählich erkaltet und man nicht sehen kann, wohin die Glut geht, so auch läßt sich der Gang des vollkommen Erlösten nicht offenbaren.


Sahassa - Tausend

 
100
Mehr wert als tausend Worte ohne rechten Sinn
Ist ein sinnvoller Spruch, der führt zum Frieden hin.
 
101
Mehr wert als tausend Lieder ohne rechten Sinn
Ist ein sinnvolles Lied, das führt zum Frieden hin.
 
102
Mehr wert als hundert Lieder singen ohne Sinn
Ist uns ein Buddhawort (ein Dhammapada), das führt zum Frieden hin.
 
103
Nicht wer in Kampf und Schlacht besiegt viel tausend Krieger,
Nur wer sich selbst besiegt, der ist der höchste Sieger.
 
104
Wer selber sich besiegt, ist allen überlegen;
Denn, wandelt selbstbeherrscht ein solcher allerwegen,
 
105
So kann kein Gott der Welt, kein Teufel und kein Drachen,
Selbst Brahma kann dann nicht den Sieg zunichte machen.
 
106
Wenn einer hundert Jahr' im Monat tausend opfert
Und einen Heiligen mit einem Blick nur ehrt,
So hat doch die Verehrung vielmals höhern Wert,
 
107
Wenn einer hundert Jahr' im Wald dem Feuer opfert
Und einen Heiligen mit einem Blick nur ehrt,
So hat doch die Verehrung vielmals höhern Wert.
 
108
Was einer opfern mag, um zu Verdienst zu kommen,
Ist nicht ein Viertel wert des Grußes für den Frommen.
 
109
Wer höflich Alte ehrt, Vorteile hat der vier:
Ein langes Leben, Glück und Kraft und Körperzier.
 
110
Mehr wert als hundert Jahre ohne Zucht und Streben
Ist ein Tag tugendhaft und in Versenkung leben.
 
111
Mehr wert als hundert Jahr' in Dumpfheit ohne Streben
Ist ein Tag weisheitsvoll und in Versenkung leben.
 
112
Mehr wert als hundert Jahr' zu leben faul und schwach,
Ist stark und krafterfüllt zu leben einen Tag.
 
113
Mehr wert als hundert Jahr' das Auf und Ab nicht sehen,
Ist ein Tag, wenn du schaust das Werden und Vergehen.
 
114
Mehr wert als hundert Jahr' nichts wissend von Nirvana
Ist ein Tag, den du lebst im Hinblick auf Nirvana.
 
115
Mehr wert als hundert Jahr' in Blindheit für die Lehre
Ist ein Tag, wenn das Aug' ist offen für die Lehre.
 
(In 114 und 115 sind im Pali die letzten Worte der Zeilen die gleichen.)


Pāpa - Übel-Böses

 
116
Zum Guten strebe schnell, halt' übles Denken fern!
Wer langsam Gutes tut, verweilt beim Üblen gern
 
117
Wer einmal Böses tat, soll Wiederholung meiden,
Sich nicht daran erfreu'n; gehäuft bringt Böses Leiden.
 
118
Wer Gutes hat getan, der tu' es mehr und mehr
Und freue sich daran! Gehäuft beglückt es sehr.
 
119
Auch Bösen geht es gut, solang' nicht reif die Tat;
Doch ist sie ausgereift, geht auf die böse Saat.
 
120
Auch Guten geht es schlecht, solang' nicht reif die Tat;
Doch ist sie ausgereift, geht auf die gute Saat.
 
121
Vom Bösen denk' nicht leicht, daß es nicht kommen soll.
Auch tropfenweise wird ein Eimer schließlich voll.
Mit Bösem füllt der Tor sich an, auch Zoll für Zoll.
 
122
Vom Guten denk' nicht leicht: Ich kann nicht, was ich soll.
Auch tropfenweise wird ein Eimer schließlich voll.
Erfüllt vom Guten wird der Weise Zoll für Zoll.
 
123
Das Böse meide, wie, wer leben will, Gift flieht,
Wie auf unsich'rem Weg kein reicher Kaufmann zieht.
 
124
Wer heile Hände hat, dem tut das Gift nichts an;
Das Böse schadet nicht dem, der es nicht getan.
 
(*125) 125
Unrecht, dem angetan, der schuldlos wie ein Kind,
Zum Täter kehrt's zurück, wie Staubwurf gegen Wind.
 
126
Mancher wird wieder Mensch; Böse zur Hölle gehen,
Gute ins Himmelreich; die Heil'gen ganz verwehen.
 
127
Nicht in der Luft, im Meer, in Bergeseinsamkeit
Ist ein Ort, wo man sich von böser Tat befreit.
 
128
Nicht in der Luft, in Bergesschacht, in Meerestiefe
Gibt's einen Ort, wo uns der Tod nicht abberiefe.


Danda - Gewalttat

129
Da alle Schläge scheu'n und vor dem Tode beben,
Bedenk': dir selbst geht's so! Drum schone andrer Leben (*f8)!
 
130
Da alle Schläge scheu'n und sind des Lebens froh,
Verkürz' ihr Leben nicht! Bedenk': auch dir geht's so!
 
(*131) 131
Wer andre Wesen quält, die auch nach Wohlsein streben,
So wie er selbst, der hat kein Glück im nächsten Leben.
 
132
Wer andre Wesen schont, die auch nach Wohlsein streben,
So wie er selbst, der findet Glück im nächsten Leben.
(v. 131 und 132 = Udāna II, 3.)
 
133
Behandle niemand grob, sonst wird zurückgescholten;
Schimpfworte bringen Leid; sie werden dir vergolten.
 
134
Wenn du nicht widertönst, zersprung'nem Erz vergleichbar,
Bist im Nirvana schon, dem Streitwort unerreichbar.
 
135
Die Rinder treibt der Hirt mit Stock zum Weideort;
Das Alter und der Tod treibt so das Leben fort.
 
136
Ein Tor, der Übles tat, oft ohne es zu merken,
Quält, wie mit Feuerbrand, sich mit den eig'nen Werken.
 
137
Wer Unschuldige, Reine schädigt mit Gewalt,
Den trifft wohl eine der zehn schlimmen Folgen bald:
 
138
Er leidet herben Schmerz, Entkräftung bis zum Tod;
Auch schwere Krankheit oder Geistesstörung droht;
 
139
Der König sucht ihn heim und man verleumdet ihn;
Verwandte sterben und die Habe schwindet hin;
 
140
Durch eine Feuersbrunst verliert sein Haus der Tor
Und nach dem Tode steht die Hölle ihm bevor.
 
141
Nicht Nacktheit, Fasten, Schmutz, noch sonstiges Kastei'n
Macht den in Sinnenlust befang'nen Menschen rein.
 
142
Wer ruhig, selbstbeherrscht, gleichmütig, gütig, rein,
Mag auch in gutem Kleid ein rechter Bhikkhu sein.
 
(*143) 143
Ist wohl ein Mensch so sehr empfindlich gegen Rügen,
Wie edle Rosse sind, die Peitschen nicht ertrügen?
 
144
Wie ein vom Peitschenhieb getroff'nes edles Roß
Seid eifrig, züchtig, stark, im rechten Wissen groß,
Gesammelt, andachtsvoll, macht euch vom Leiden los!
 
145
Der Brunner Wasser führt, die Pfeile biegt der Schmied,
Der Zimm'rer biegt das Holz, der Fromme sich erzieht.


(*f8) Vergl. Schlußkapitel des Khuddakapātha, wo es heißt: Wie eine Mutter zeitlebens auf ihr einziges Kind sieht, solchen Sinnes erweitere man sein Herz für alle Wesen, schließe man in das unbeschränkte liebevoll die ganze Welt ein. Vergl. Sn.149.


Jarā - Altern
 

146
Könnt ihr, wenn's immer brennt, noch fröhlich sein und lachen?
Wollt in der Finsternis ihr nicht ein Licht entfachen?
 
147
Schau diese Puppe an, bemalt, doch siech inwendig,
Die vieles wünscht und plant, ist krank und unbeständig
(v. 147 von Ratthapāla = M.82)
 
148
Der abgenutzte Leib ist siech, ein Krankheitsnest,
Ein Unratshaufen nur, der nach dem Tod verwest.
 
149
Ist's ein Vergnügen wohl, die morschen, taubengrauen
Gebeine, billig wie der Kohl im Herbst, zu schauen?
 
150
Aus Knochen ist die Stadt, die Fleisch und Blut verkleben,
Wo Alter, Tod, Betrug und Stolz als Bürger leben.
 
151
Prunkwagen altern auch, und unser Leib muß schwinden;
Die Lehre altert nicht, weil Gute sie verkünden.
 
152
Ein Mensch, der nichts gelernt hat, altert wie ein Rind;
Es wächst sein Fleisch, wobei sein Wissen nicht gewinnt.
 
(*153) 153
Vergebens mußte ich durch viele Leben wandern;
Den Bauherrn suchte ich; ein Leiden kam zum andern.
 
154
Jetzt, Bauherr, seh' ich dich! Das Bau'n ist dir verwehrt,
Die Balken sind dahin, der Dachstuhl ist zerstört,
Mein Denken ist jetzt frei; der Drang hat aufgehört.
 
155
Wer Reinheitswandel mied und sparte keinen Dreier,
Stirbt wie am ausgefischten Teich ein alter Reiher.
 
156
Wer jung kein Geld erwarb und übte keine Tugend,
Liegt wie ein alter Bogen und beweint die Jugend.


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