Fussnote 75 von D.33

Bei diesen drei Arten der Einigung wird angedeutet, daß eine um die andere immer leerer wird an vorstellbaren Dingen, bis der Jünger die «durchaus reine, allerhöchste Armut errungen hat», d.i. die suññatā, Leerheit, Mittlere Sammlung 909.

Die Leerheit als Anfang und Ende zu wissen ist aber das Ziel fast aller höheren geistigen Schulen geworden. Das Kamahāyānikam, ein Leitfaden des Mahāyānam, dessen Text in das 6. Jahrhundert zurückreicht, faßt die einzelnen Meinungen so zusammen:

Die Ansicht der ehrwürdigen Buddhisten ist die von der Leerheit des höchsten wahren Selbst, sunyah paramasadātmā; die der ehrwürdigen Siviten von der Leerheit der höchsten Wonne, sūnyah paramānandah; die der ehrwürdigen Mīmāmsisten von der Leerheit des höchsten Geheimnisses, sūnyam paramaguhyam; die der ehrwürdigen Seher, rsayah, die Leerheit schlechthin, sūnyatā; das höchste Leere aber, paramasūnyam, ist den Brāhmanen eigen.

Recht fein ist ein Gleichnis, das der Mönch Khemako anwendet, Samyuttakanikāyo 22.89, ed. Siam. vol. III, p. 117f. (PTS 131): der scharfe, beißende Geruch des Dünkels der Ichheit wird durch den Duft der Lehre nach und nach ausgetrieben. 

Siehe noch Mittlere Sammlung S.1007f. nebst Anm. 503, zweiter Absatz: «auf eines gestützt ein anderes abstoßen». Sehr eingehend werden diese Übungen in der 20. Rede der Mittleren Sammlung der Reihe nach gezeigt und zu Beginn so empfohlen und veranschaulicht: «Gleichwie etwa, ihr Mönche, ein geschickter Maurer oder Maurergeselle mit einem feinen Keil einen groben heraustreiben, herausschlagen, herausstoßen kann, ebenso nun auch, ihr Mönche, soll ein Mönch, wenn er eine Vorstellung faßt, eine Vorstellung sich vergegenwärtigt, und ihm dabei böse, unwürdige Erwägungen aufsteigen, Bilder der Gier, des Hasses und der Verblendung, aus dieser Vorstellung eine andere gewinnen, ein würdiges Bild. Während er aus dieser Vorstellung eine andere gewinnt, ein würdiges Bild, schwinden die bösen, unwürdigen Erwägungen, die Bilder der Gier, des Hasses und der Verblendung, lösen sich auf; und weil es sie überwunden hat, festigt sich eben das innige Herz, beruhigt sich, wird einig und stark.» Das hier von Gotamo gegebene drastische Gleichnis ist, nebenbei bemerkt, in FREIDANKS Weltkunde wiederzufinden, ed. GRIMM 127, 4-7; SHAKESPEARE hat es auf Coriolanus bezogen, den Unbeugsamen «poor'st of all» zu machen, IV Ende:

One fire drives out one fire; one nail, one nail; 
Rights by rights falter, strength by strength do fail.

Ist es dahin gekommen, so wird man, wie es am Ende jener Rede heißt, «Mönch Herrscher über der Erwägungen Arten genannt. Welche Erwägung er will, die wird er erwägen, welche Erwägung er nicht will, die wird er nicht erwägen. Abgeschnitten hat er den Lebensdurst, weggeworfen die Fessel, durch vollständige Dünkeleroberung ein Ende gemacht dem Leiden.» -

Im Mahāyānam wurde etwa ein Jahrtausend später der Begriff der Leerheit, sūnyatā, in unendlichen Variationen, Progressionen, Permutationen abgewandelt; er ist dort in eine müßige Spielerei ausgeartet, mit der sich die hybriden Geister und Metaphysiker ihre Zeit und Langeweile vertrieben haben: wo hingegen er ursprünglich von Gotamo immer nur kurz gefaßt und als Schlagwort gegeben war, nur als Mittel zur praktisch durchgeführten Läuterung von jedwedem Einfluß, āsavo. Bis zu welchem Pegel von Aberwitz das Fangballspiel mit den tausend und hunderttausend Kategorien der Leerheit in Nepal, China und Tibet endlich gelangt ist, zeigen die Fluten der Prajnāpāramitās. Man kann da schon die ufer- und bodenlose Verwässerung besehn, worin das lonaphalam oder Salzkorn unserer Texte, wie es z.B. in der 121. Rede der Mittleren Sammlung oder in v. 1119 der Bruchstücke der Reden dargeboten wird, schmacklos zerschmilzt. Die Mahāyānisten waren nämlich von der überaus zarten Würze, die an solchen Stellen als der letzte Geschmack oder paramaraso auf immer zurückbleibt und die darum in den Reden Gotamos so sparsam wie möglich verwendet ist, derart entzückt, daß sie nun alles und jedes damit einsalzen und durchdringen wollten: dazu eignete sich aber die kleine feinste Zugabe ganz und gar nicht, und sie haben denn nur das Gegenteil ihrer Absicht erreicht, eine Verquirlung, in der kaum eine Spur der Würze des Meistergedankens noch zu merken ist.


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